Praxis im Krisenmodus: Drohende Schieflagen gekonnt managen

Corona-Krise, Personal-Krise, Energie-Krise: Eine Herausforderung jagt die nächste. Und manchmal möchte man sich am liebsten nur noch verkriechen: nichts mehr hören, nichts mehr sehen, nicht mehr mitmachen.

27.10.2022 Fachartikel

Doch den Kopf in den Sand zu stecken, hilft jetzt einfach nicht weiter. Es braucht konstruktive Ansätze, wie niedergelassene Ärztinnen und Zahnärzte selbstwirksam werden können, um die vielfältigen Krisen zu bewältigen.

Das richtige Mindset ist dabei entscheidend. Gerade der gefühlte Kontrollverlust – das Gefühl, nichts mehr selbst in der Hand zu haben – lässt uns in eine Art Schockstarre verfallen, in der wir uns den multiplen Krisen ausgeliefert fühlen.

Gewinnen Sie mit Engagement und Aufgeschlossenheit Ihre Selbstwirksamkeit zurück!
Schon kleinere Handlungen und Maßnahmen können helfen, die Kontrolle über die Praxisentwicklung zurückzuerobern. Ein paar Hebel zur Linderung und Abwendung von Praxisschieflagen möchten wir hier aufzeigen.

1. Identifizieren Sie ungenutzte Umsatzpotenziale

Wirtschaftliche Stabilität ist der Grundstein, damit Arztpraxen, Zahnarztpraxen und (Zahn-)Medizinische Versorgungszentren [(Z-)MVZ] erfolgreich durch die Krise manövriert werden können. Ein schnelles und sehr wirksames Instrument, um betriebswirtschaftliche Sicherheit (zurück)gewinnen zu können, ist die Potenzialanalyse.
Gerade in Krisenzeiten hilft sie niedergelassenen Zahnärztinnen und Ärzten, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Sie legt offen, mit welchen Maßnahmen der Krise begegnet werden kann, und hilft, eine langfristig solide Basis für die Wirtschaftlichkeit von Praxis und (Z-)MVZ zu schaffen.

Die Potenzialanalyse identifiziert Optimierungs- und Entwicklungsmöglichkeiten.
Seien es Abrechnungspotenziale, die noch nicht ausgeschöpft sind, Praxisprozesse, die kosteneffizienter gestaltet werden können, Führungstechniken, die die Produktivität des Praxispersonals steigern, oder der zielsichere Einsatz von Finanzmitteln, um die Praxis nach vorn zu entwickeln und die Liquidität langfristig zu sichern: Eine Potenzialanalyse schafft betriebswirtschaftliche Klarheit und identifiziert Stellschrauben zur Steigerung der Praxisleistung.
Sie zeigt auf, in welchen Praxisbereichen Optimierungsmöglichkeiten bestehen, und welche strategischen Entscheidungen getroffen werden sollten, um die Arztpraxis, Zahnarztpraxis oder das (Z-)MVZ auch in schwierigen Zeiten auf Erfolgskurs zu halten.

2. Übernehmen Sie Führung in der Krise

Auch Mitarbeitende machen sich derzeit große Sorgen:
Wie wird die Praxis mit dem (drohenden) Personalmangel künftig umgehen? Welchen Einfluss wird die wirtschaftliche Lage auf den Arbeitsplatz bzw. das Einkommen haben? Und wie sollen private Heiz- und Stromkosten mit dem bisherigen Gehalt gestemmt werden können?

Während Sie in der Geschäftsleitung versuchen, die einprasselnden Herausforderungen zu überblicken und unter Kontrolle zu behalten, bleiben Praxismitarbeiterinnen und ‑mitarbeiter oft uninformiert und verunsichert zurück. Das birgt Gefahren. Denn wenn Informationen über die Lage Ihrer Praxis nicht offen behandelt und kommuniziert werden, schürt das Spekulationen und verstärkt die Unsicherheit. Steigende Krankheitsfälle und Kündigungen können die Folge sein.

Transparenz und Empathie stärken Ihr Praxisteam

Angesichts des bedrohlichen Personalmangels im Gesundheitswesen ist es für alle Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber ratsam, ihr Team zu stärken und zusammenzuhalten. Bei aller Unsicherheit, die Sie selbst spüren, ist jetzt Führung gefragt!

Indem Sie emphatisch und sachlich erklären, wie Sie vorhaben, den Krisen zu begegnen, sorgen Sie für Klarheit in Ihrem Praxisteam.

Eine kontinuierliche Informationsweitergabe über das Geschehen wirkt vertrauensstiftend und im besten Falle beruhigend:

  • Erläutern Sie in regelmäßigen Teammeetings die aktuelle Lage und zeigen Sie erforderliche Maßnahmen auf!
  • Laden Sie Ihre Angestellten zu Fragen ein, die Sie offen und ehrlich beantworten!
  • Nehmen Sie sich Zeit und haben Sie ein offenes Ohr für Einzelgespräche!
  • Wertschätzen Sie den Einsatz Ihrer Belegschaft! Bedanken Sie sich für das bisherige Engagement und Vertrauen und zeigen Sie Verständnis für Ängste und Sorgen!

Inflationsausgleichsprämie unterstützt und bindet Mitarbeitende

Im Zuge des dritten Entlastungspakets zur Abmilderung rasant steigender Kosten gewährt die Bundesregierung Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern steuerfreie Bonuszahlungen für ihre Angestellten.

Praxisinhaberinnen und -inhaber, die wirtschaftlich dazu in der Lage sind, können dieses Instrument nutzen, um ihren Mitarbeitenden finanziell unter die Arme zu greifen, Sicherheit zu geben und damit auch ihre Bindung zum Unternehmen zu stärken.

Mit der Auszahlung einer Inflationsprämie zeigen Sie, dass Sie um die Sorgen Ihrer Belegschaft wissen und bemüht sind, nicht nur Ihr Unternehmen, sondern auch die Privathaushalte Ihrer Mitarbeitenden vor schwerwiegenden Folgen der Krise zu schützen.

Bis zu 3.000 Euro können Praxen und (Zahn-)Medizinische Versorgungszentren ihren Angestellten steuerfrei und ohne Sozialversicherungsabgaben auszahlen. Einmalig oder gestückelt kann der Inflationsbonus bis 31.12.2024 zusätzlich zum normalen Gehalt überwiesen werden.

3. Beraten Sie Patienten in der Zahnarztpraxis zielgerichtet

Die Verunsicherung über die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, die Entwicklung der Inflation und die wirtschaftliche Lage Deutschlands zieht sich quer durch die Gesellschaft. Konsequenz: Die Kaufkraft geht zurück. Die Menschen halten ihr Geld zusammen.

Und so kommt es auch immer öfter vor, dass selbst bewilligte Heil- und Kostenpläne in der Zahnarztpraxis nicht umgesetzt werden, weil Patientinnen und Patienten den Eigenanteil im Moment lieber einsparen möchten.

Für Zahnarztpraxen kann das erhebliche Einnahmenverluste nach sich ziehen. Deshalb ist ein aufklärendes und beratendes Gespräch mit den Patienten jetzt einmal mehr relevant.

  • Stellen Sie klar, dass der HKP (Heil- und Kostenplan) seine Gültigkeit nach spätestens sechs Monaten verliert! Bei der aktuellen Preisentwicklung ist nicht zuzusichern, dass ein neuerlicher Kostenvoranschlag nach Ablauf dieser Frist zu den gleichen Konditionen erfolgen kann.
  • Weisen Sie Ihre Patienten auf die bestehende Härtefallregelung hin! Wer wenig Einkommen hat, kann von der gesetzlichen Krankenkasse bis zu 100 Prozent Zuzahlung zum Basis-Zahnersatz bekommen. Dieser besondere Kassenzuschuss muss vom Patienten extra beantragt werden.
  • Empfehlen Sie Ihren Patientinnen und Patienten den Abschluss einer Zahnzusatzversicherung! Dabei ist darauf zu achten, dass sich die Leistung des Versicherers auf den privaten Rechnungsbetrag bezieht, nicht lediglich auf den Teil, den die Krankenkasse bezuschusst.
    Patienten mit einer Zahnzusatzversicherung garantieren nicht nur regelmäßige Praxisbesuche und damit verlässliche Einnahmen. Sie haben auch deutlich mehr Spielraum für zahnärztliche Behandlungen und zeigen eine größere Breitschaft zu einer finanziell hochwertigeren Versorgung.

4. Schaffen Sie ein Risikofrüherkennungssystem

Liquiditätsengpässe frühzeitig zu erkennen, ist gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten für Praxisinhaberinnen und -inhaber elementar. Wenn erst die Zahlungsunfähigkeit droht, ist ein Insolvenzverfahren oft nur noch schwerlich abzuwenden.

Damit es gar nicht erst soweit kommt, empfehlen Steuer- und Unternehmensberater eine sogenannte rollierende Liquiditätsplanung.
Für GmbHs inzwischen verpflichtend, bietet eine rollierende – also eine kontinuierlich erfolgende – Liquiditätsplanung auch anderen unternehmerischen Rechtsformen die Möglichkeit, eine Sanierung mit Hilfe des 2021 etablierten StaRUG-Verfahrens durchzuführen und damit eine mögliche Insolvenz abzuwenden.

Sorgfältig erstellte Liquiditätspläne bieten Praxisinhaberinnen und-inhabern detaillierte Darstellungen und Analysen ihrer Zahlungsfähigkeit. Damit sind Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer jederzeit in der Lage, einzuschätzen, ob sie ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen können, oder eine Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlich wird bzw. direkt droht.

In angemessenen Abständen durchgeführt, garantiert eine rollierende Liquiditätsplanung die Sicherstellung der Verfügbarkeit, Sichtbarkeit und Prognose des Finanzbedarfs, um Zahlungen anhaltend fristgerecht tätigen zu können.

Ab einer gewissen Praxisgröße ist eine „saubere“ Finanz- und Liquiditätsplanung unerlässlich, um das Gesundheitsunternehmen nachhaltig erfolgreich führen zu können.

5. Stärken Sie Ihre Krisenresilienz

Niedergelassene Ärztinnen und Zahnärzte, die unsicheren Zeiten wie diesen mit Entschlossenheit und Tatkraft begegnen, stärken nicht nur ihre persönliche Resilienz. Sie schaffen in ihren Praxen und (Zahn-)Medizinischen Versorgungszentren auch die nötige unternehmerische Flexibilität, angemessen auf die Veränderung der Märkte reagieren zu können.

Das Management kann viel dazu beitragen, die Krisenresilienz Ihres Gesundheitsunternehmens zu steigern. Mit einer klaren Führung, vorausschauendem Handeln, Risikofrühwarnsystemen und zielgerichteten Investitionen können aktuelle und zukünftige Praxiskrisen effektiv angegangen und überwunden werden.

Als Praxisberatung mit betriebswirtschaftlichem Schwerpunkt unterstützt Kock + Voeste Zahnärztinnen und Ärzte in der Krisenprävention, dem Krisenmanagement und, wenn es notwendig wird, auch bei der Unternehmenssanierung und -restrukturierung.