Mitarbeiter finden und binden: Große Herausforderung für jede Praxis

Ein Interview mit Stephan F. Kock in der Sonderbeilage der BW-Bank im Deutschen Ärzteblatt.

10.11.2022 Fachartikel

Für viele Heilberufler, die ihre eigene Praxis führen, ist es wie eine Wunde, die sich nicht schließen will: Die Besetzung offener Stellen nimmt häufig Monate, teilweise sogar Jahre in Anspruch. Der Wettbewerb um die wenigen verfügbaren Fachkräfte ist intensiv. Es ist Zeit, diese Herausforderung genauer unter die Lupe zu nehmen.

»Die Parameter, die eine Praxis interessant und einen Arbeitgeber attraktiv für eine Fachkraft machen, haben sich grundlegend verändert«, sagt Stephan Kock, Inhaber und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Kock + Voeste, aus Dutzenden von Gesprächen. Insbesondere jüngere Beschäftigte erwarten ziel- und werteorientierte Führung von ihren Führungskräften, wertschätzende Anerkennung für ihre geleistete Arbeit und einen von Respekt geprägten Umgangston.

Wer im Wettbewerb um qualifiziertes Personal erfolgreich sein will, muss zudem mehr bieten als »nur« einen sicheren Arbeitsplatz. Der digitale Auftritt der Praxis beispielsweise und die inhaltliche Anreicherung der Position sind hier ebenso Thema wie monetäre und vor allem nicht monetäre Zusatzleistungen im Sinne von Work-Life-Balance. Und mit der Unterschrift unter einen entsprechenden Arbeitsvertrag ist es längst nicht getan. Stephan Kock: »Mitarbeitende sind Menschen, in die Sie Zeit und Geld investieren. Dieses Investment sollten Sie dann in Ihrem eigenen Interesse auch pflegen.«

»Wertschätzung ist extrem wichtig.«

Die vielzitierte Zeitenwende spüren niedergelassene Ärzte und Zahnärzte schon länger: Konnten sie bei Stellenausschreibungen früher meist zwischen mehreren Bewerbern wählen, bleibt heute so mancher Arbeitsplatz lange unbesetzt.

Fünf Fragen an den erfahrenen Berater Stephan F. Kock.

Herr Kock, in vielen Heilberufler-Praxen fehlt Fachpersonal. Wie kommt das?

Unsere Gesellschaft überaltert gerade. Wir haben generell wenig junge Menschen, und damit auch wenig Nachwuchs mit medizinischer Fachausbildung. Die Lücke zwischen Nachfrage und Angebot ist groß – und sie wird sich wohl in den nächsten 20 Jahren nicht schließen lassen.

Um die wenigen verfügbaren Kräfte herrscht intensiver Wettbewerb. Welche Praxisinhaber haben gute Chancen?

Unserer Erfahrung nach ist die Wahrscheinlichkeit, ob eine Stelle dauerhaft besetzt werden kann, mittlerweile weniger von der Fachexpertise des Arztes oder Zahnarztes abhängig als vielmehr von der Art des Umgangs, der in der Praxis herrscht. Immer mehr Mitarbeitende legen immer höheren Wert auf Work-Life-Balance – also: geregelte Arbeitszeiten, die Raum lassen für Familie und Hobbys. Und vor allem: Wertschätzung ist den Mitarbeitenden extrem wichtig. Sie erwarten Respekt für ihre Leistung und Lob vom Chef. Mit dem schwäbischen »Nedd g‘schimpft, isch g’lobt gnug« kommt man da nicht weit.

Das hört sich nach einem Wertewandel an …

... der auf Seiten der Mitarbeiterschaft deutlich schneller vorangeschritten ist als auf Seiten der Chefs. Personalführung ist bis heute in der Ausbildung von Medizinern und Zahnmedizinern eine kaum vermittelte Kompetenz. Wer sich selbstständig macht, muss sich entsprechendes Wissen in der Regel selbst aneignen und seinen Führungsstil selbst entwickeln. Dabei sind die Ansprüche an Führung in den letzten Jahren auch in Praxen stetig gestiegen. Es reicht nicht mehr, erfolgreich die ärztliche Behandlung von möglichst vielen
Patienten zu organisieren und die dafür notwendigen Anweisungen zu geben. Das Umfeld muss so gestaltet werden, dass den Beschäftigten die Arbeit in
der Praxis Freude macht.

Und das ist nicht in erster Linie eine Frage des Geldes, richtig?

Richtig! Gehaltserhöhungen motivieren Mitarbeitende durchaus, aber der Effekt hält nur kurze Zeit an. Eine viel höhere Bindungskraft entwickelt die sogenannte intrinsische Motivation. Wer intrinsisch motiviert ist, übt eine Tätigkeit aus, weil er sie interessant findet oder Spaß an der Sache hat, weil er die Arbeit als besonders sinnvoll oder auch herausfordernd empfindet. Wer seinen Beschäftigten einen solchen »inneren Antrieb« vermitteln kann, kann sie langfristig binden.

Können Heilberufler die dafür notwendige Beschäftigung mit ihren Mitarbeitenden zeitlich überhaupt leisten?

Auch das ist Teil des aktuellen Wandels. »Chef sein« wird heute generell anders definiert als vor 20 Jahren, auch das Selbstbild von Ärzten und Zahnärzten hat sich verändert. Praxisinhaber sollten das Thema zudem ein
Stück weit betriebswirtschaftlich sehen: Ein gut funktionierendes, kompetentes Praxisteam ist eine wertvolle Investition, die gepflegt werden will.

Gekonnt suchen und dauerhaft halten

Was macht eine Praxis heutzutage attraktiv für medizinische Fachkräfte? Wo informieren sich potenzielle Bewerber über freie Stellen? Was ist gerade jüngeren Angestellten im beruflichen Alltag wichtig?

In der Ärzteblatt-Sonderbeilage lesen Sie einige Tipps von Experten für die verschiedenen Phasen der Mitarbeiterfindung und -bindung. Hier geht's zum Download.